Die „Inflationsprämie“

Noch bis 31. Dezember 2024 haben Arbeitgeber die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmern eine sogenannte „Inflationsausgleichsprämie“ in Höhe von bis zu 3.000 € steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen.

 

Zweck dieser Prämie ist die Linderung der allgemeinen Inflationsfolgen für Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber darf daneben auch weitere Zielsetzungen mit der Prämienzahlung verfolgen, sollte dabei aber darauf achten, dass diese den eigentlichen Zweck nicht verdrängen. Ferner ist darauf zu achten, dass die Prämie nur dann steuer- und sozialversicherungsrechtlich privilegiert sind, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt (wozu auch Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Boni usw. zählen) gezahlt wird. Es ist also nicht möglich, ein üblicherweise gezahltes Weihnachtsgeld im betreffenden Jahr nicht zu gewähren und stattdessen die Inflationsausgleichsprämie zu zahlen. Die Prämie kann dabei entweder als Einmalzahlung oder aber auch in beliebig vielen Raten oder Teilzahlungen geleistet werden.

 

Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Prämie besteht weder in voller, noch in anteiliger Höhe. Die Zahlung liegt insoweit allein im Ermessen des Arbeitgebers. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass bei der Entscheidung, welche Mitarbeiter die Prämie überhaupt bzw. in welcher Höhe erhalten, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten werden muss. Der Arbeitgeber darf hier die Arbeitnehmer nur dann unterschiedlich behandeln, wenn er hierfür einen rechtlich billigenswerten sachlichen Grund hat. So könnte beispielsweise eine Prämie nur an Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen ausgezahlt werden, da diese durch die hohe Inflation wohl verhältnismäßig stärker belastet sein dürften als besserverdienende Mitarbeiter. Die Auszahlung der Prämie nur an Vollzeitmitarbeiter dürfte dagegen eine unzulässige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten darstellen. Eine Auszahlung anteilig nach Maßgabe der geleisteten Teilzeitarbeit hingegen dürfte wiederum zulässig sein. Zulässig ist im Übrigen auch die Vereinbarung einer solchen Prämienzahlung im Rahmen von Vergleichsverhandlungen, beispielsweise bei Kündigungsschutzverfahren. Solange die Prämie nicht eine sonst zwingend erforderliche Abfindungszahlung ersetzt, dürfte ihrer Verwendung als „Verhandlungsmasse“ bei der Beendigung des Rechtsstreits nichts entgegenstehen. (MJ)

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz

Bereits zum Dezember 2021 hätte der Gesetzgeber in der Pflicht gestanden, die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Mit fast einem Jahr Verspätung wurde nunmehr am 16. Dezember 2022 ein entsprechender Gesetzentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)vom Bundestag beschlossen. Die notwendige Zustimmung des Bundesrats steht noch aus, dürfte aber Anfang Februar 2023 vorliegen, sodass mit einem Inkrafttreten des Gesetzes im April oder Mai 2023 zu rechnen sein dürfte.

 

Ziel des Gesetzes ist der Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte Gesetzesverstöße erlangen und diese an die gesetzlich vorgesehenen Meldestellen melden (sog. „Hinweisgeber“). Der persönliche Anwendungsbereich umfasst also insbesondere auch im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer usw.

 

In sachlicher Hinsicht gilt das HinSchG für Meldungen (und die Offenlegung) von Informationen über straf- und bußgeldbewehrte Gesetzesverstöße, soweit sich diese auf den Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit beziehen oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (z.B. des Betriebsrats) dienen; umfasst sind ferner zahlreiche weitere, im Gesetz näher bestimmte Verstöße aus unterschiedlichen Rechtsbereichen.

 

Das HinSchG verpflichtet Unternehmen mit regelmäßig 50 oder mehr Beschäftigten, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Unternehmen aus bestimmten besonders sensiblen Branchen (z.B. Versicherungsunternehmen, Kredit- oder Wertpapierinstitute usw.) gilt diese Verpflichtung aber auch schon bei einer geringeren Beschäftigtenzahl. Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 50 und 249 können hierbei auch eine gemeinsame Meldestelle einrichten und betreiben, wobei jedoch jedes Unternehmen weiterhin in der Verantwortung bleibt, die notwendigen Maßnahmen bei gemeldeten Verstößen selbst zu veranlassen. Die Meldestelle muss binnen einer Frist von drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes eingerichtet werden; kleinere Unternehmen mit max. 249 Mitarbeiter sind dabei insoweit privilegiert, als diesen für die Einrichtung eine Übergangsfrist bis einschließlich 17. Dezember 2023 eingeräumt wird. Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sind von dem Gesetz nicht betroffen.

 

Über die internen Meldestellen hinaus sieht das Gesetz vor, dass verschiedene externe staatliche Meldestellen eingerichtet werden, an die sich Hinweisgeber alternativ ebenfalls wenden können.

 

Unternehmen haben für die von ihnen betriebene Meldestelle einen „Meldekanal“ einzurichten, über den die Arbeitnehmer Meldungen mündlich bzw. telefonisch oder in Textform abgeben können. Die Unternehmen sind dabei jedoch nicht verpflichtet, diesen  Meldekanal  dann so  auszugestalten, dass  eine anonyme Abgabe von Meldungen möglich ist. Ferner sieht das Gesetz vor, dass auf Wunsch des Hinweisgebers innerhalb angemessener Frist auch eine persönliche Zusammenkunft des Hinweisgebers mit einem Mitarbeiter der Meldestelle ermöglicht werden muss.

 

Nach Eingang einer Meldung hat die Meldestelle dies dem Hinweisgeber binnen sieben Tagen zu bestätigen sowie im nächsten Schritt zu prüfen, ob der gemeldete Verstoß dem Anwendungsbereich des HinSchG unterfällt und ob die Meldung stichhaltig ist. Sie hat hierbei mit dem Hinweisgeber Kontakt zu halten, ihn erforderlichenfalls um weitere Informationen zu ersuchen und gegebenenfalls angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen und dem Hinweisgeber hierüber binnen drei Monaten eine Rückmeldung zu geben. Geeignete Folgemaßnahmen können hierbei interne Untersuchungen sowie die Information betroffener Personen oder Abteilungen des Unternehmens sein. Auch in Betracht kommt, den Hinweisgeber an eine zuständige (ggf. externe) Stelle zu verweisen, das Verfahren für weitergehende Untersuchungen an eine zuständige Behörde abzugeben oder es aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen einzustellen.

 

Bemerkenswert ist dabei insgesamt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verpflichtung der Meldestellen, gemeldete Verstöße tatsächlich zu bearbeiten, nicht besteht. Bußgeldbewehrt (bis zu 20.000 €) ist es lediglich, es zu versäumen, eine Meldestelle einzurichten.

 

Hinweisgeber genießen nach dem HinSchG einen besonderen gesetzlichen Schutz. So kann ein Hinweisgeber rechtlich nicht für die Beschaffung der von ihm gemeldeten Informationen zur Verantwortung gezogen werden, sofern diese Beschaffung nicht eine Straftat darstellt. Auch soll eine Meldung nicht als Verletzung bestehender Verschwiegenheitspflichten des Hinweisgebers gelten, soweit er davon ausgehen durfte, dass deren Weitergabe erforderlich war, um einen Verstoß aufzudecken. Ferner sind jegliche Repressalien gegen einen Hinweisgeber (sowie bereits deren Androhung oder Versuch) unzulässig, wobei Repressalien nicht nur in arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Kündigungen, Abmahnungen usw. bestehen können, sondern von diesem Begriff sämtliche potenziell nachteiligen Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Hinweisgebers umfasst sind; zu denken wäre hier an Gehaltskürzungen, Übergehen der Person bei Beförderungen, Mobbing, Diskriminierung, negative Leistungsbeurteilungen usw. Das Gesetz sieht insoweit zugunsten des Hinweisgebers eine Beweislastumkehr vor, d. h., sofern dieser nach einer Meldung beruflichen Nachteilen ausgesetzt ist, wird vermutet, dass es sich bei diesen um Repressalien im Sinne des Gesetzes handelt – es ist dann am Arbeitgeber, seinerseits zu beweisen, dass dies nicht der Fall ist und er tatsächlich andere Gründe für die betreffenden Maßnahmen hatte.

 

Zuletzt sieht das Gesetz zum Schutz der Unternehmen (immerhin) vor, dass Hinweisgeber sich jedenfalls dann schadensersatzpflichtig machen, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine falsche Meldung tätigen und dem Unternehmen hieraus ein Schaden entsteht.

 

Insgesamt stellt das Gesetz bei allem begrüßenswertem Schutz von Whistleblowern die Unternehmerschaft ein weiteres Mal vor erhebliche Herausforderungen. Unternehmen, die dem Geltungsbereich des Gesetzes unterfallen und noch über kein Meldesystem verfügen, sind gut beraten, sich auf die Einrichtung eines solchen vorzubereiten, während Unternehmen, die bereits vergleichbare Systeme vorhalten, zumindest deren Übereinstimmung mit den neuen gesetzlichen Regelungen zeitnah überprüfen sollten. (MJ)