BAG ändert Rechtsprechung zur vorsorglichen Freistellung unter Urlaubsanrechnung bei fristloser Kündigung

Es entspricht bislang geübter Praxis, dass ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich kündigt, dem betroffenen Arbeitnehmer ihm noch zustehenden Erholungsurlaub vorsorglich (also für den Fall, das nur die fristgemäße Kündigung sich als wirksam erweist) während der Kündigungsfrist der hilfsweise ordentlichen Kündigung gewährt. Auf diese Weise konnten bisher Ansprüche des Arbeitnehmers auf „Auszahlung“ von kündigungsbedingt nicht genommenen Urlaubs häufig vermieden werden. Dieser Vorgehensweise hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nunmehr ein Ende bereitet.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Thema Erholungsurlaub hat das BAG entschieden, dass eine solche vorsorgliche Urlaubserteilung den Urlaubsanspruch nur dann zum Erlöschen bringt, wenn das für die Urlaubszeit zu zahlende Arbeitsentgelt entweder unmittelbar ausgezahlt oder zumindest die Auszahlung vorbehaltslos zugesagt wird.

Die oben beschriebene Möglichkeit für den Arbeitgeber, sich von Urlaubsabgeltungsansprüchen des Arbeitnehmers durch vorsorgliche Freistellung freizuhalten, besteht damit formal nicht mehr. Was die Parteien eines Kündigungsschutzstreits für eine Vereinbarung bezüglich der Urlaubsabgeltung allerdings im – häufigen – Fall einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits treffen, bleibt weiterhin diesen überlassen. Es ist also wohl damit zu rechnen, dass das beschriebene Problem in der überwiegenden Anzahl der Streitigkeiten um eine außerordentliche Kündigung allenfalls die „Verhandlungsmasse“ der Parteien erhöht, im Ergebnis aber eher akademischer Natur bleiben dürfte. (MJ)

Verweigerung oder Abbruch einer Alkoholentziehungskur kann personenbedingte Kündigung rechtfertigen

Ein kündigungsrechtlicher „Dauerbrenner“ ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Alkoholsucht eines Arbeitnehmers eine Kündigung rechtfertigen kann.

Da das Bundesarbeitsgericht (BAG) Alkoholismus als Krankheit betrachtet, sind hier grundsätzlich die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung zu erfüllen – eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nicht in Betracht, da ein alkoholkranker Arbeitnehmer ja nicht „absichtlich“ trinkt, sondern aufgrund seiner Erkrankung trinken „muss“.

Maßgeblich für die Wirksamkeit einer Kündigung ist daher stets die Frage, welche Prognose ein Arbeitgeber für die Zukunft dahingehend stellen darf, ob der Arbeitnehmer seine Alkoholerkrankung „in den Griff“ bekommen wird.

Im zu entscheidenden Fall hatte ein alkoholkranker Arbeitnehmer es zunächst kategorisch abgelehnt, eine Alkoholentziehungskur zu unternehmen, diese dann schließlich doch angetreten, aber bereits nach kurzer Zeit wieder abgebrochen. Das BAG hielt diese Umstände für ausreichend, um dem Arbeitgeber die Prognose zu gestatten, der Arbeitnehmer werde auch künftig aufgrund seiner Alkoholerkrankung auf absehbare Zeit immer wieder nicht in der Lage sein, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Die ausgesprochene personenbedingte Kündigung sei daher wirksam. (MJ)