Obacht: Hinweisgeberschutzgesetz seit Dezember 2023 auch für kleinere Unternehmen in Kraft

Nachdem das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG)“ bereits am 2. Juli 2023 in Kraft getreten und die „Schonfrist“ hinsichtlich der dort enthaltenen Bußgelder für größere Unternehmen (ab 250 Arbeitnehmern) mit dem 31. November 2023 abgelaufen ist, sind zugleich die Regelungen dieses Gesetzes nunmehr – seit dem 17. Dezember 2023 – zwingend auch von kleineren Unternehmen (50 bis 249 Arbeitnehmer) zu beachten.

 

Auch diese Arbeitgeber sind daher künftig verpflichtet, eine Hinweisgeber-Meldestelle („Whistleblower-Hotline“) einzurichten und zu unterhalten, wobei es für die konkrete Ausgestaltung verschiedene Optionen gibt (reine interne Lösung, interne Lösung durch externe Beauftragte usw.) (siehe auch unsere KanzleiNews Januar und Mai 2023).

 

Schon zur Wahrung der gesetzlichen Verpflichtung und zur Vermeidung empfindlicher Bußgelder (bis 20.000 €), aber auch zwecks Sicherstellung eines für das Unternehmen im Rahmen des Möglichen optimierten Meldesystems sollten die betroffenen Unternehmen, also jedes Unternehmen mit mehr als 49 Arbeitnehmern, dringend darauf achten, eine gesetzeskonforme Meldestelle zu betreiben. (MJ)

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz

Bereits zum Dezember 2021 hätte der Gesetzgeber in der Pflicht gestanden, die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Mit fast einem Jahr Verspätung wurde nunmehr am 16. Dezember 2022 ein entsprechender Gesetzentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)vom Bundestag beschlossen. Die notwendige Zustimmung des Bundesrats steht noch aus, dürfte aber Anfang Februar 2023 vorliegen, sodass mit einem Inkrafttreten des Gesetzes im April oder Mai 2023 zu rechnen sein dürfte.

 

Ziel des Gesetzes ist der Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte Gesetzesverstöße erlangen und diese an die gesetzlich vorgesehenen Meldestellen melden (sog. „Hinweisgeber“). Der persönliche Anwendungsbereich umfasst also insbesondere auch im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer usw.

 

In sachlicher Hinsicht gilt das HinSchG für Meldungen (und die Offenlegung) von Informationen über straf- und bußgeldbewehrte Gesetzesverstöße, soweit sich diese auf den Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit beziehen oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (z.B. des Betriebsrats) dienen; umfasst sind ferner zahlreiche weitere, im Gesetz näher bestimmte Verstöße aus unterschiedlichen Rechtsbereichen.

 

Das HinSchG verpflichtet Unternehmen mit regelmäßig 50 oder mehr Beschäftigten, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Unternehmen aus bestimmten besonders sensiblen Branchen (z.B. Versicherungsunternehmen, Kredit- oder Wertpapierinstitute usw.) gilt diese Verpflichtung aber auch schon bei einer geringeren Beschäftigtenzahl. Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 50 und 249 können hierbei auch eine gemeinsame Meldestelle einrichten und betreiben, wobei jedoch jedes Unternehmen weiterhin in der Verantwortung bleibt, die notwendigen Maßnahmen bei gemeldeten Verstößen selbst zu veranlassen. Die Meldestelle muss binnen einer Frist von drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes eingerichtet werden; kleinere Unternehmen mit max. 249 Mitarbeiter sind dabei insoweit privilegiert, als diesen für die Einrichtung eine Übergangsfrist bis einschließlich 17. Dezember 2023 eingeräumt wird. Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sind von dem Gesetz nicht betroffen.

 

Über die internen Meldestellen hinaus sieht das Gesetz vor, dass verschiedene externe staatliche Meldestellen eingerichtet werden, an die sich Hinweisgeber alternativ ebenfalls wenden können.

 

Unternehmen haben für die von ihnen betriebene Meldestelle einen „Meldekanal“ einzurichten, über den die Arbeitnehmer Meldungen mündlich bzw. telefonisch oder in Textform abgeben können. Die Unternehmen sind dabei jedoch nicht verpflichtet, diesen  Meldekanal  dann so  auszugestalten, dass  eine anonyme Abgabe von Meldungen möglich ist. Ferner sieht das Gesetz vor, dass auf Wunsch des Hinweisgebers innerhalb angemessener Frist auch eine persönliche Zusammenkunft des Hinweisgebers mit einem Mitarbeiter der Meldestelle ermöglicht werden muss.

 

Nach Eingang einer Meldung hat die Meldestelle dies dem Hinweisgeber binnen sieben Tagen zu bestätigen sowie im nächsten Schritt zu prüfen, ob der gemeldete Verstoß dem Anwendungsbereich des HinSchG unterfällt und ob die Meldung stichhaltig ist. Sie hat hierbei mit dem Hinweisgeber Kontakt zu halten, ihn erforderlichenfalls um weitere Informationen zu ersuchen und gegebenenfalls angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen und dem Hinweisgeber hierüber binnen drei Monaten eine Rückmeldung zu geben. Geeignete Folgemaßnahmen können hierbei interne Untersuchungen sowie die Information betroffener Personen oder Abteilungen des Unternehmens sein. Auch in Betracht kommt, den Hinweisgeber an eine zuständige (ggf. externe) Stelle zu verweisen, das Verfahren für weitergehende Untersuchungen an eine zuständige Behörde abzugeben oder es aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen einzustellen.

 

Bemerkenswert ist dabei insgesamt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verpflichtung der Meldestellen, gemeldete Verstöße tatsächlich zu bearbeiten, nicht besteht. Bußgeldbewehrt (bis zu 20.000 €) ist es lediglich, es zu versäumen, eine Meldestelle einzurichten.

 

Hinweisgeber genießen nach dem HinSchG einen besonderen gesetzlichen Schutz. So kann ein Hinweisgeber rechtlich nicht für die Beschaffung der von ihm gemeldeten Informationen zur Verantwortung gezogen werden, sofern diese Beschaffung nicht eine Straftat darstellt. Auch soll eine Meldung nicht als Verletzung bestehender Verschwiegenheitspflichten des Hinweisgebers gelten, soweit er davon ausgehen durfte, dass deren Weitergabe erforderlich war, um einen Verstoß aufzudecken. Ferner sind jegliche Repressalien gegen einen Hinweisgeber (sowie bereits deren Androhung oder Versuch) unzulässig, wobei Repressalien nicht nur in arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Kündigungen, Abmahnungen usw. bestehen können, sondern von diesem Begriff sämtliche potenziell nachteiligen Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Hinweisgebers umfasst sind; zu denken wäre hier an Gehaltskürzungen, Übergehen der Person bei Beförderungen, Mobbing, Diskriminierung, negative Leistungsbeurteilungen usw. Das Gesetz sieht insoweit zugunsten des Hinweisgebers eine Beweislastumkehr vor, d. h., sofern dieser nach einer Meldung beruflichen Nachteilen ausgesetzt ist, wird vermutet, dass es sich bei diesen um Repressalien im Sinne des Gesetzes handelt – es ist dann am Arbeitgeber, seinerseits zu beweisen, dass dies nicht der Fall ist und er tatsächlich andere Gründe für die betreffenden Maßnahmen hatte.

 

Zuletzt sieht das Gesetz zum Schutz der Unternehmen (immerhin) vor, dass Hinweisgeber sich jedenfalls dann schadensersatzpflichtig machen, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine falsche Meldung tätigen und dem Unternehmen hieraus ein Schaden entsteht.

 

Insgesamt stellt das Gesetz bei allem begrüßenswertem Schutz von Whistleblowern die Unternehmerschaft ein weiteres Mal vor erhebliche Herausforderungen. Unternehmen, die dem Geltungsbereich des Gesetzes unterfallen und noch über kein Meldesystem verfügen, sind gut beraten, sich auf die Einrichtung eines solchen vorzubereiten, während Unternehmen, die bereits vergleichbare Systeme vorhalten, zumindest deren Übereinstimmung mit den neuen gesetzlichen Regelungen zeitnah überprüfen sollten. (MJ)